Jürgen Heckmanns
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Jürgen Heckmanns


05.06. – 17.07.2009

Jürgen Heckmanns und Gabriel Ruget: Räume und Bewegung
Jürgen Heckmanns ist im Rheinland geboren. Er lebt und arbeitet in Herford und lehrte an der Universität Bielefeld. Zuletzt zeigte das MARTA Herford Arbeiten von ihm in der Ausstellung ad absurdum. Heckmanns Papierkunst führt den Betrachter in einen Zirkus phantastischer Weltwesen.
Seine fragil und zirzensisch wirkende Bildästhetik - nicht zuletzt durch den Werkstoff Papier hervorgerufen - ist in der substanziellen Erscheinung kraftvoll und physisch stark.
Neben kleinen und bis zu drei Meter hohen Papierfiguren zeigt die Galerie BAAL auch Zeichnungen Jürgen Heckmanns, die die Formensprache der Objekte kontrastieren: die phantastischen Weltwesen befleißigen sich eines menschlichen Gebarens, sie bewegen sich aufeinander zu, von einander weg und erschließen sich damit eine andere Räumlichkeit. Im Gestus der Figuren offenbart sich auch eine urbildhafte Vorstellung menschlicher Haltung und Handlung zum Anderen.
Gabriel Ruget, ist in Albi geboren. Er lebt und arbeitet in Paris. An der École normale supérieure, deren Direktor er bis 2005 war, forscht er als Mathematiker zu Fragen der Ästhetik. Auch in seiner Malerei und in den digitalen Arbeiten ist er ein Suchender, Forscher. Alte Meister wie Bonnard oder Fra Angelico zitiert Ruget in seinen Bildfindungen mit einer eigen gewonnen Stilistik: mit transparenter, dezenter Farbpalette findet er in den Wirrungen des Alltags seine Themen. Anders als in Heckmanns Bildästhetik versucht Ruget, wie er sagt, die petit perceptions (Leibnitz), die Kleinen Wahrnehmungen, jene gesteigerten Formen von Assoziationstendenzen (Friedell) aufzuspüren. Salopp gesagt treibt er die bildnerische Atmung voran. Der Verzicht auf die klassisch akademischen Details gibt ihm die Möglichkeit zu einer eigensinnigen, kritisch-ästhetischen Bildwelt.
Introduction à l'exposition de Jürgen Heckmanns et GR, Galerie Baal
 

Vortrag von Christiane Heuwinkel
05.06.2009

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Jürgen Heckmanns, lieber Gabriel Ruget,
„Kleine Leiter“: eine Leiter aus Papier, nur 20 cm hoch, hinter mir auf der
Stirnseite der Galerie Baal. Ein Objekt von Jürgen Heckmanns, das übersehbar
zu sein scheint und doch eine ganz eigensinnige Poesie und Präsenz entwickelt.
„In my secret Life“: eine fast zwei Meter hohe Leinwand von Gabriel Ruget,
riesig und explizit, und doch auch ganz verhalten und zart. Zwei künstlerische
Positionen werden hier in der Galerie Bernd Schlipköthers zusammengespannt und
in einen Dialog verwickelt, die kontrapunktisch erscheinen und doch auch
Gemeinsamkeiten zeigen.
Jürgen Heckmanns’ bevorzugtes Material ist seit Jahrzehnten Papier:
Zeitungspapier, Papierbögen und –reste, Makulaturpapier, aus dem er Figuren
formt, fragile Wände errichtet und auch große schwebende Objekte sozusagen
„entfaltet“. Dabei ist das Papier für ihn ideales Arbeitsmaterial, ist es doch
leicht, formbar und auch sehr sinnlich. Es lässt sich zu Strängen
zusammendrücken und drehen, die sich, mit einander verstrebt, zu
Gewebestrukturen formen lassen, die an Knochen, Knorpel und Körper erinnern.
Und wie auch der Körper altert Papier sichtbar, es vergilbt, wird brüchig und
vergeht.
Und aus diesem leichten fragilen Material schafft er ausgerechnet kleine
Leitern; Leitern, deren eigentliche Materialqualität ja die Stabilität und
schiere Größe sein sollte. Heckmanns „Kleine Leiter“ jedoch ist mit einer
Stecknadel an der Wand befestigt, und scheint nichts tragen zu wollen außer
sich selbst. Vielmehr scheint sie wie ein zarter Körper auf langen Beinen,
balletttänzerleicht gebogen an der Wand nur für einen Moment in der Bewegung
innezuhalten. Auch die große, nach oben sich stark verjüngende Leiter wirkt
fragil, wie für den Moment nur an die Wand gelehnt. Leitern und Stelzen sind
wiederholt auftauchende Elemente auch in Heckmanns’ meist kleinformatigen
Objekten, den „Plateaus“.
Zwei Flächen auf dürren, wackligen Stelzen sind verbunden durch zwei Körper,
die eine Verbindungsschnur halten bzw. von ihr gehalten werden. Ein fragiles
Gleichgewicht, ein Halten und Gehalten-Werden, ein Stützen und Gestützt-
Werden. Eine Balanceakt, der auch an die dürren, überlängten Figuren
Giacomettis auf ihren schiefen Ebenen erinnern mag.
Gabriel Rugets Körper in „My secret life“ erscheinen auf andere Art fragil.
Trotz ihrer Größe und Voluminosität sind sie doch skizzenhaft durchscheinend
und – anders – fragil. In reduzierter Farbigkeit lässt er die Körper wie die
Schreibspuren aus der Leinwand herauswachsen, leicht, leise, prozesshaft.
Schrift setzt Ruget wie Zeichnung als gestische Spur auf das weiß grundierte
Material. In Fragmenten lesbar erscheint die Schrift als Gedankenspur ebenso
auch als Bildelement sichtbar.
Sicht- und Lesbarkeit ist ein Element, das Ruget beispielsweise auch in seiner
der Dichterin Anna Achmatova gewidmeten „crucifixion“ verwendet. Ein Schrift-
Bild, das die Worte der Dichterin bildwürdig macht, so wie umgekehrt die
Dichterin ihre Gedankenbilder in Worte gefasst hatte. Keine Illustration,
keine platte Abbildhaftigkeit, vielmehr eine würdige, respektvolle Hommage.
„Crucifixion“ II und VII dagegen arbeiten mit Bildelementen, die Ruget so aus
der Kunstgeschichte hervorholt wie die Worte Achmatovas aus der
Literaturgeschichte. Hände und Füße, übereinander gelegt bzw. gekreuzigt, aber
auch wie aus dem Nebel der Geschichte auftauchende Gesichter lassen die
christliche Ikonographie aufscheinen, nicht als gebildeter Zitatenschatz des
Kunstkenners (der er natürlich auch ist), sondern als unser kollektives
Bildgedächtnis. Zart, skizzenhaft angedeutet, lassen sie die Schichtungen
unseres Erinnerungsvermögen aufscheinen, in dem immer neue Bilder auftauchen,
absinken und sich ikonenhaft verdichten.
Rugets Schrift-Bilder werden zu Palimpsesten unseres Unbewussten.
Das Übereinanderblenden zeichenhafter Strukturen scheint mir ein Merkmal
beider Künstler zu sein. So bezeichnete Jürgen Heckmanns seine Papierarbeiten
einmal als „Zeichnungen im Raum“ bzw. als „lineare Plastiken“. Die Zeichnung
wölbt sich in den Raum und wird körperlich, der Körper selbst wird zum
Zeichen. Und hinzu kommt der Schatten, ein wichtiges Element vieler
Papierarbeiten, die in spezifischer Beleuchtung mit ihrem Schattenbild noch um
eine Dimension bereichert werden oder vielleicht sogar erst ihre eigentliche
Form erhalten.
So lässt sich das große „Gewebe“ Heckmanns’ bei unterschiedlicher Beleuchtung
ganz unterschiedlich erleben. Wichtig erscheint mir neben der Zufallsdimension
des Schattens noch die Idee des Webens, wie des Spinnens, des ins Unendliche
Fortschreibens. Ein solches Gebilde wie auch das des ‚Papierfliegers’ hoch
oben an der Galeriedecke wird nicht nach einem Konzept hergestellt, sondern
entwickelt sich prozesshaft. Das mit Kleisterpapier geschmeidig (und auch
haltbar und schließlich fest) gemachte Papier wird zu Fäden „gesponnen“,
knotenhaft vertäut und weiter verwebt in einer Methode, die man vielleicht als
„kontrollierten Zufall“ beschreiben könnte.
Und Geflechte, Gewebe, Gitterstrukturen scheinen auch bei Gabriel Ruget
wesentliche Bildelemente zu sein. So sind in seinem Gemälde „grisant“
(„Berauschend“) verschiedene Gitterstrukturen über einen Körper gelegt und
tauchen auch in seinem Digitalbild „If we can have both, still better“ auf.
Die Gitter- oder Netzstrukturen schieben sich über den Körper (im Gemälde)
oder die Text-Bild-Fotocollage als Element der Trennung und Distanz, die aber
doch auch zum genauen Hin- und Hindurchsehen auffordern. Die Bild- und
Textebenen werden miteinander verschränkt und verknüpft als Kommunikation mit
dem Betrachter.
In der Digitalcollage „L’agrément d’une femme“ verschmelzen die Elemente
Handschrift, Typographie und Bildzitat aus Balthus’ wohl berühmtestem Bild „La
Rue“ zu einem Traumgeflecht aus Gedachtem, Gesehenem und Erinnertem.
Und Menschen, die schicksalhaft mit einander verflochten sind, sich in
fragilen Gleichgewichten sozusagen schwebend halten, das sind auch Elemente,
die Jürgen Heckmanns’ Arbeit bestimmen.
Nicht nur in der Gegenständlichkeit, sondern auch in der abstrakten
Körperhaftigkeit der Leitern, die aber auch an Skelette, an Wirbelsäulen
erinnern, wird diese schicksalhafte Verflechtung spürbar. In seinen
Installationen gruppiert er sie zu manchmal strengen Formationen, manchmal zu
wuchernden Häufungen, die an „Familienaufstellungen“ denken lassen.
Und so scheinen mir die beiden Künstler, die sich vor dieser
Gemeinschaftsausstellung nicht kannten, die in Herford und in Paris leben und
arbeiten, hier auf eine subtile Art mit einander kommunikativ verbunden zu
sein und auf ganz spezielle Art miteinander „vernetzt“.

--> http://www.galerie-baal.de/ausstellungen/rueckblick/2009.html


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